Juden in Europa

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
 
Jüdische Weisheit
 

[Antisemitismus in Osteuropa]

Konzert- und Theaterplakate
aus dem Wilnaer Ghetto 1941 - 1943

SHTARKER FUN AYSN

Vom 19. September bis zum 10. November 2002 zeigt das Jüdische Museum Frankfurt im Rahmen des Buchmessenschwerpunktes "Litauen" erstmals Plakate aus dem Wilnaer Ghetto

Wilna, heute Vilnius, war ein Zentrum religiösen, kulturellen und politischen jüdischen Lebens – das JERUSHALEYIM DeLITE. Stefan Schreiner (Universität Tübingen) führte in seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung aus: "Wann immer der Grundstein dieses >litauischen Jerusalems< gelegt worden ist und die Geschichte der Juden in Wilna begonnen hat, spätestens seit dem 18. Jahrhundert ist Wilna (...) als SHTOT FUN GAJST UND TMIMES (...) wie sie in einem jiddischen Lied genannt wird, in der ganzen jüdischen Welt bekannt und berühmt." Ende des vorletzten Jahrhunderts entstanden hier neue Bewegungen, die, inspiriert von Aufbruchideen sowohl aus Westeuropa und als auch aus Russland, in Forschung, Kultur, Erziehung und Politik ein neues jüdisches Selbstverständnis entwickelten.

Am 24. Juni 1941 marschierten deutsche Truppen in Wilna ein. Die Deutschen erließen Unmengen restriktiver Verordnungen gegen die jüdische Bevölkerung, es folgten Menschenjagden und Verschleppungen, durchgeführt mit tatkräftiger Unterstützung litauischer Kollaborateure. Das Massenmorden begann mit Ankunft des Einsatzkommandos 3 (Filbert). Im September 1941 wurden zwei Ghettos errichtet, von denen eines bis zur Liquidierung der jüdischen Bevölkerung Wilnas im September 1943 bestand. Ende des Jahres 1941 hatten Wehrmacht, Einsatzkommandos und litauische Hilfsgruppen drei Viertel der Juden und Jüdinnen in Wilna ermordet. Es lebten noch 15.000 Menschen "legal" mit von der deutschen Verwaltung ausgestatteten Scheinen für die Zwangsarbeit und etwa 5.000 "illegal" im Ghetto.

Die Selbstorganisation des Ghettos begann mit den Tag seiner Errichtung. Der Judenrat errichtete Verwaltungsbüros, um Probleme der Ernährung, der medizinischen Versorgung und des Wohnraumes zu bewältigen – pro Person standen etwa 1,5 bis 2 Quadratmeter zur Verfügung. Nach der Ernennung Jakob Gens´ zum alleinigen Vorsitzenden des Judenrats im Juni 1942 wurde die im Ghetto nicht unumstrittene Politik "Leben durch Arbeit" forciert.

Mitglieder unterschiedlicher Jugendbewegungen beriefen schon am 31. Dezember 1941 eine Versammlung ein, die Gründung der Widerstandsbewegung F.P.O. wurde beschlossen. Die Vereinigte Partisanenorganisation setzte sich den bewaffnete Widerstand gegen die Deutschen zum Ziel, sowie die Selbstverteidigung des Ghettos und den Schutz von Leben und Würde der überlebenden Bevölkerung. Eine Bibliothek, ein Theater, ein Orchester und verschiedene Jugendeinrichtungen und Schulen entstanden in den ersten Tagen des Ghettos.


Ankündigung des ersten Konzerts, 4.5.1942
Quelle: Ausstellungs-
katalog,
Frankfurt a.M. 2002

Avrom Sutzkewer beschrieb in seiner Erinnerung "FUN WILNER GETO" (1946), dass ihn der junge Regisseur Wiskind zu einer Versammlung von Künstlern einlud, dass es die Idee gebe, ein Theater im Ghetto zu schaffen:

... IKH HOB IM ONGEKUKT FARWUNDERT:
- A TEATER IN GETO?
- YO, - HOT MIR WISKIND BASHTETIKT, - MIR MUZN TON DOS UNDZERIKE. OYKH MIT OT DEM GEWER ZIKH ONTKEGNSHTELN DEM SOINE. MIR TORN ZIKH NIT UNTERGEBN OF KEYN EYN MINUT ...

Nach dem ersten Konzert im Theater schlug die kritische Stimmung um, die sich zuvor in der Forderung ausgedrückt hatte: OYF A BESOYLEM MACHT MEN NISHT TEATER!. In Erinnerungen und Memoiren ist dokumentiert, dass viele Menschen, die den entmenschlichten und hoffnungslosen Bedingungen ausgesetzt waren, diese Ruhestunde des Konzerts als fast sakrales Erlebnis empfanden. Avrom Sutzkewer beschreibt die Stimmung des ersten Abends, dass jeder Klang der Ermordeten gemahnte, "... MENTSHN SAYNEN GESHTANEN, WI ME SHTEYT LEBN AN OFENEM KEYWER." In den ersten Monaten der Existenz des Theaters wurden Themen der jüdischen Literatur, Werke von Aleiychem, Perez oder Bialik gespielt, dann kamen eigene Produktionen aus dem Ghetto dazu.


Vortrag: Das Ghetto
im Mittelalter
19.7.1942
Quelle: s.o.                        

100.000 Bücher in der
Ghetto-Bibliothek
13.12.1942
Quelle: s.o.

Georg Heuberger (Jüdisches Museum Frankfurt) charakterisierte in seiner Rede zur Eröffnung der Frankfurter Ausstellung die Funktion der kulturellen Initiativen: "Die Bewahrung kulturellen Lebens im Lager war der Versuch, die geistig- seelische Verfassung im Ghetto wiederherzustellen, die Moral zu bewahren und der Vernichtungsdrohung standzuhalten ..." und bezog sich auf den hebräischen Begriff "amida", mit dem Yehuda Bauer (2001) die Spannbreite jüdischen Widerstands beschreibt. Amida, etwa „standhalten", „sich gegen jemanden erheben", umfasst bewaffnete und unbewaffnete Aktionen – das beinhaltet ebenso Sabotageaktionen und Angriffe gegen die Unterdrücker als auch kulturelle, pädagogische, religiöse oder politische Aktivitäten, die die Moral und den Lebensmut stärken.

Die Plakate aus dem Wilnaer Ghettotheater spiegeln den geistigen Überlebenskampf der Juden in WILNE wider. Im Frankfurter Jüdischen Museum werden die Plakate von einer Dokumentation – und einem sehr empfehlenswerten Katalog – ergänzt, die den Rahmen und Kontext der kulturellen Initiativen herstellen. Dazu Stefan Schreiner: "Keinen Augenblick soll sie vergessen lassen, dass es Plakate aus dem Wilnaer Getto, dem Vorhof des Todes sind und auf ihre Weise von Überlebenswillen und Selbstbehauptung, von Auflehnung gegen den Tod und Wahrung der Menschenwürde gleichermaßen zeugen. Sie zeugen von der Größe von Menschen, die selbst angesichts der Zerstörung, Vernichtung und Tod nicht nur gefühlt, sondern praktisch dokumentiert haben, dass Kultur, Kunst, Bildung, Musik und Theater zum Leben, zum Menschsein untrennbar dazugehören."

Die Plakate sind wertvolle kulturhistorische Zeugnisse aus dem jüdischen WILNE. Sie sollten jedoch auch eine Mahnung sein für diejenigen, die für die Zerstörung dieser Kultur die Verantwortlichkeit tragen, deren Nachkommen und an alle, dass diese Kultur und die Geschichte ihrer Zerstörung nicht in Vergessenheit geraten.

Gudrun Schroeter – haGalil

Ort: Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Untermainkai 14 - 15, 60311 Frankfurt

Öffnungszeiten: Täglich 10.00 - 17.00 Uhr, Mittwoch, 10.00 - 20.00 Uhr, Montag geschlossen

Die Juden von Wilna

Jiddische Musik aus Wilna
Jerusalem in Litauen

Direct Streaming RealAudio
WILNA - Direkt Hören
Download
sound/wilne.ra

 hagalil.com / 15-10-2002


DE-Titel
US-Titel

Yiddish Books
Yiddish Music


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren. Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved