1808 wurde in
Frankreich das Zentralkonsistorium eingerichtet (s.
Benbassa
pp121). Dieses folgte dem Modell der protestantischen Administartion, welches
nach Anerkennung des Katholizismus als Staatsreligion eingeführt worden war.
Zu Beginn des Jahres 1809 wurden sieben Bezirkskonsistorien gebildet.
Die Trennung von Religion und Staat im Jahr 1905 schlug eine Bresche in das
Monopol der Konsistorien, das auf einem zerbrechlichen Konsens be ruhte. Es
fehlte ihnen nunmehr die politische Unterstützung der Regierung und deren
finanzielle Zuwendungen.
In dieser Situation
entstanden Kul tusvereinigungen, die sich in der Union des associations
cultuelles israéli tes de France et d'Algerie zusammenschlossen. Der Begriff
Konsistorium wurde beibehalten und bezeichnete nunmehr den Verwaltungsrat
beliebi ger Kultusvereinigungen.
Elsaß-Lothringen, das erst nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich
zurückgegeben wurde, war von dieser Verände rung ausgenommen. Der Kultus
wurde hier auch weiterhin von Bezirks konsistorien organisiert, die
einschließlich der Gehälter der Rabbiner vom Staat finanziert wurden.
In Folge
dieser Umwälzungen vervielfachten sich die institutionalisierten
Aktivitäten. Zugleich entfaltete sich ein religiöser Pluralismus,
dessen Entstehung bisher von den omnipräsenten Konsistorien
unterdrückt wor den war, ohne dass sie ihn ganz hätten verhindern
können.
Schon im
19.Jh. hatte es Versuche gegeben, das Prinzip der Gemeindeautonomie
durchzu setzen und sei es mit der Gründung orthodoxer Gemeinden.
1907 wurde die Union liberale israélite de tendance réformée als
religiöse Organisation gesetzlich anerkannt. Zur gleichen Zeit
eröffnete sie in Paris die Synagoge rue Copernic, die seither von
der jüdischen Elite besucht wird. Die seit den letzten Jahrzehnten
des 19.Jhs. massenhaft nach Frankreich strömenden jüdischen
Immigranten wiederum, die weitgehend proletarisiert waren und ihrer
neuen Umgebung noch fremd gegenüberstanden, schlossen sich den
konsistorialen Strukturen nicht an. Sie nutzten die neuen Möglichkei
ten, um Kongregationen zu gründen, die ihren wirklichen Bedürfnissen
entsprachen und wählten ihre Rabbiner, ohne die Zustimmung eines Kon
sistoriums einzuholen.
Die Säkularisierung des
Staates führte zu einer verstärkten Abwendung von den Konsistorien. Dem
Zentralkonsistorium von Paris gehörten 1907 lediglich 5,5 % der Juden
der Hauptstadt an.
Trotz der daraus resultie renden finanziellen Schwierigkeiten unterhielt es
seine vier Grundschulen, seine Berufsschulen und Ausbildungsstätten, seine
Volkshochschule, deren Bildungsangebot an die Immigranten gerichtet war,
sowie seine Wohltä tigkeitswerke. Obwohl es einen Großteil seiner Befugnisse
eingebüßt hat te, repräsentierte es auch weiterhin das französische Judentum
als Religi onsgemeinschaft gegenüber dem Staat.
Weitere
Esther Benbassa zur jüdischen
Geschichte in Frankreich
Quelle
Esther Benbassa
Geschichte der Juden in Frankreich
Aus dem Französischen von Lilli Herschhorn
320 Seiten, geb., ca. DM 54,-/öS 394,-/sFr 49,-
Philo-Verlag /
ISBN 3-8257-0144-1 - Oktober 1999
[Buchbeschreibung / Rezension]
haGalil onLine
14-12-2000
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